Entschleunigend - Wie Schneeschuhwandern zum entspannenden Naturerlebnis wird

Blauer Himmel und glitzerndes, tiefes Weiß soweit das Auge reicht. Es gibt ihn also doch noch hierzulande, diesen Winter. Eine bunt gemischte Truppe, unter ihnen überraschend viele jungen Leute, stapft an diesen traumhaften Tag Mitte Februar von der Hindenburghütte mit Schneeschuhen hinauf zum Plateau der Hemmersuppenalm über Reit im Winkl. „Schnell und kurz, diese zwei Worte sind heute tabu“, gibt ihnen Guide Christian Pichler mit auf den Weg, nachdem er sie mit Schneeschuhen und Stöcken ausgerüstet und ihnen gezeigt hat, wie man sich damit am ergonomischsten im Gelände bewegt. Zwei Freundinnen aus München sind mit dabei, die zwar ein bisschen Alpinskifahren, aber von überfüllten Pisten die Nase voll haben. Drei Mädels Anfang 20 aus der Wasserburger Gegend, die ansonsten gar keinen Wintersport machen, zwei Urlauber aus dem Norden und ein junges Paar aus der Region. Sie alle machen das zum ersten Mal, wollen hineinschnuppern in diesen naturnahen Sport, der immer beliebter wird. Christian will, dass sie das eben nicht schnell mal kurz nebenbei machen, sondern langsam und ganz bewusst. „Sie sollen hier bei dem Kurs lernen, Spaß an der Bewegung zu finden, den Stress des Alltags hinter sich zu lassen, die Natur zu genießen und dem Herrgott einfach dankbar dafür zu sein, hier sein zu dürfen.“

Nach ein paar Hundert Metern werden die Schritte bei allen schon harmonischer und sicherer. Christian spurt mitten durch das Gelände des Premiumwinterweges, bergauf, bergab durch kleine, zum Teil völlig unberührte Waldschneisen, über kleine Bäche und Baumstämme. Dürfen sie hier überhaupt gehen? „Prinzipiell sollte man sich vor einer Schneeschuhwanderung bei der Tourenplanung zum Beispiel bei den Tourismusbüros immer genau erkundigen, wo Wildschutzgebiete sind
oder es zu Konflikten mit Besitzern kommen könnte. Diese Gebiete muss man unbedingt umgehen wie man auch das Gelände, das man ansonsten betritt, sehr genau beobachten sollte. Hier auf der Ebene verbirgt sich unter dem Schnee sehr sumpfiges Gelände, da können sich schon mal gefährliche Wasserlöcher auftun“, erklärt er der Gruppe. Sein großes Wissen über die vielfältigen Zeichen der Natur und das Nutzen dieser in eventuellen Gefahrensituationen wie auch viel Informatives und Historisches über die Region und die heimischen Berge gibt er immer
wieder in kurzen Zwischenstopps an die Wanderer weiter. Wissen, das sie immer mehr eins werden lässt mit dem Erlebten hier. Neben dem puren Naturgenuss ist auch auf der ersten kleinen Rast in der Sonne Genuss angesagt, wo Christian heimischen Käse, Brot und Getränke für alle auspackt und nebenbei erklärt, was man auf einer Tour an Ausrüstung alles dabei haben und wie man sich in Notfällen verhalten sollte. Runterkommen vom stressigen Alltag, innere Ruhe finden, mit Bewegung entschleunigen: Mit jedem weiteren Schneeschuhschritt hier in der unberührten Natur im Chiemgau ist dieser Effekt bei jedem einzelnen deutlich spürbar. Gut runtergekommen im wörtlichen Sinne sind sie dann alle, zuerst Mittag zur gemütlichen Einkehr in der Nattersbergalm, später ins Tal in Reit im Winkl. Und: Sie wollen alle wiederkommen! Petra Rapp


„Bergerlebnisse der besonderen Art“ - Christian Pichler im Interview

Der Chiemgauer Christian Pichler ist ausgebildeter Berg- und Schneeschuhwanderführer. Er hat sich ein besonderes Konzept einfallen lassen, um Menschen für die Bewegung in der heimatnahen Natur zu begeistern (www.bergbua.net). Unsere Redaktion sprach mit ihm.

Bergbua, ein eigenwilliger Name – Was steckt dahinter?
Pichler: Ursprünglich hat meine Frau mich ihren Freunden so vorgestellt, womit sie meine tiefe Verwurzelung zu den heimischen Bergen ausdrücken wollte. Ich habe die Bezeichnung dann später für mich und mein Team übernommen, in dem es aber übrigens auch einige Bergmadl gibt.

Ihr Konzept verspricht Bergerlebnisse der besonderen Art, die vor allem eins sein sollen – stressfrei. Warum?
Pichler:Das Bergbua-Konzept resultiert aus meinen persönlichen Erfahrungen im Leistungssport und späteren Berufsleben, wo ständiger Leistungsdruck und Stress dazu führten, dass mein Körper irgendwann streikte. Ich habe mein Leben danach völlig umgekrempelt und erfahren, weniger kann auch viel mehr sein. Ziemlich jeder steht unter der Woche unter Strom und viele machen sich dann am Wochenende auch noch in der Freizeitgestaltung Stress. Wir wollen den Leuten einen anderen Weg aufzeigen, wie sie ohne Höhenmeter- und Zeitdruck Freude an der Bewegung finden und dabei lernen, die heimische Natur zu genießen und zu schätzen. 

Also alles immer schön langsam?
Pichler:Nein. Es muss deshalb nicht immer langsam sein, wir haben auch sportlich anspruchsvolle Touren im Programm. Aber auch hier ist unsere Philosophie: Genuss ohne jeglichen Leistungsdruck.

Sie bieten vielerlei Mottowanderungen an. Welche?
Pichler: Im Winter sind es vor allem Schneeschuhwanderungen für Einsteiger, für Singles, Senioren oder auch Familien, wo wir die Kinder spielerisch an die Natur heranführen. Die sind sehr beliebt. Aber auch Rodel- oder Pferdeschlittentouren wie auch ganz individuelle Arrangements auf Anfrage. Im Sommer sind Sonnenaufgangstouren, kulinarische Wanderungen oder „Wandern auch wenn’s zwickt“ mit einer erfahrenen Physiotherapeutin als Begleiterin, Kräuterwanderungen wie auch Kinderwagen- und Kraxentouren sehr gefragt. 

Wo sind Sie überwiegend unterwegs?
Pichler: Wir wandern meist im Chiemgau und im Oberland in der Tegernseer und Schlierseer Region, aber auch mal in Südtirol oder im Salzburger Land. Weil sich auch hier irgendwo immer ein Fleckchen Weiß findet, sind wir bis Mitte April dort sicher noch auf Schneeschuhtouren unterwegs.


Die wichtigsten Tipps zum Schneeschuhwandern:

Sorgfältige Tourenplanung: Wer ohne Guide losziehen will, sollte ein leistungsangepasstes Tourenziel wählen, sich über die dortigen Wildschutz- und Sperrgebiete informieren und diese respektieren. Private Grundstücke meiden oder vorher Erlaubnis einholen. Wetter- und Lawinenlagebericht studieren.

Ausrüstung: Schneeschuhe (gibt es ab ca. 100 €, werden bei organisierten Veranstaltungen meist gestellt oder gegen Gebühr im Verleih), Teleskop-Stöcke mit großen Tellern, knöchelhohe, feste, wasserdichte Bergschuhe, Rucksack, funktionelle Bekleidung, evtl. Wechselwäsche und Gamaschen, Handschuhe und Mütze, Sonnenschutz, ausreichend zu Trinken, Brotzeit, Stirnlampe/Taschenlampe, Erste-Hilfe-Set, evtl. Biwaksack, Kartenmaterial, Führer, Kompass und Höhenmesser, LVS-Gerät inkl. Batterien, Lawinenschaufel und-Sonde, Handy.

Angepasstes Verhalten auf der Tour: Sie bewegen sich im ungesicherten alpinen Gelände auf eigenes Risiko. Auf das Gelände und die dortigen alpine Gefahren achten. Wetterentwicklung beobachten, sich nicht überfordern und lieber frühzeitig die Tour abbrechen. Regelmäßige Trinkpausen einlegen.