Barrieren überwinden - Unterwegs mit dem blinden Bergsteiger Andy Holzer

Foto: Valentin Rapp
Man merkt es ihm kaum an, dass er blind ist, so sicher bewegt er sich im Gelände und am Fels, so fesselnd erzählt er von sich, seinem ungewöhnlichen Leben und seinen alpinen Abenteuern, mit scheinbar direktem Blickkontakt zu seinem jeweiligen Gesprächspartner. Andy Holzer ist ein außergewöhnlicher Mensch und ein außergewöhnlicher Athlet.

Sechs der Seven Summits, der jeweils höchsten Gipfel der Kontinente, hat er bereits bewältigt, der noch fehlende Mount Everest soll nach lawinenbedingt abgebrochener Expedition im April dann im nächsten Jahr folgen. Der 47jährige Osttiroler klettert schwierigste Routen im Vorstieg und sagt dennoch: „Das mit den Seven Summits hat sich so ergeben. Der Berg ist für mich keinesfalls ein Sportgerät. Höher, steiler, geiler, das machen andere viel besser. Klettern ist für mich, wie wenn mir jemand die Fesseln abnimmt. Da habe ich die Freiheit, die ich im Tal nicht habe, einfach ein wunderschönes Lebensgefühl.” Ihm ist bei seinen Touren und Expeditionen wie in seinem ganzen Leben etwas ganz anderes wichtig: „Ich will Barrieren überwinden. Zeigen, dass vieles geht, wo andere denken, das geht nicht und den Sehenden die Augen öffnen!“ 

Foto: Valentin Rapp
Wir verschließen die unseren mit einer Augenmaske zum Selbstversuch, um ein wenig einzutauchen in die Welt von Andy Holzer. „80 Prozent der Wahrnehmung passiert visuell. Wenn das Sehen ausgeschaltet wird, kriegen manche erst einmal Panik, aber mit Gewalt geht da gar nichts. Man muss es mit Ruhe und Cleverness lösen, seinen Körper ständig kontrollieren. Das ist eine ganz hohe Schule der Wahrnehmung, das Gehirn muss gewaltig arbeiten. Eine gute Sensorik in den Gelenken (Propriozeption) ist enorm wichtig, deshalb macht langsame, geschmeidige Bewegungen, haltet Disziplin und seid leise. Du musst die Geräusche des Vordermannes hören können, um Dich zu orientieren. Der Blinde braucht ständig Signale vom Führenden, sonst wird er sofort unsicher“, gibt er uns mit auf den Weg.

Foto: Valentin Rapp
Unsicher tapsen wir anfangs auf dem breiten, unbegrenztem Weg umher, stolpern immer wieder und versuchen krampfhaft, ja nicht den Kontakt zum Rucksack des Vordermannes zu verlieren. Dann im Klettersteig, wo Andy schnell hinaufklettert, fühlen auch wir, die Hände ständig tastend am Fels, plötzlich ein neues, bewussteres Gefühl für den eigenen Körper, werden immer sicherer und können diese fessellose Freiheit beim Klettern, von der Andy gesprochen hat, jetzt ein klein wenig nachvollziehen. 

Andy Holzer begreift seine Behinderung schon von klein auf als Herausforderung, nicht als Beschränkung und ist das Paradebeispiel perfekter Inklusion. Aufgewachsen in einem 300-Seelendorf wurde er, von Geburt an blind, von seinen Eltern wie ein sehendes Kind erzogen, das unbekümmert seine Grenzen austesten durfte. „Ich war der Glückliche, der gelassen wurde in seiner Welt. So konnte ich meine eigenen Strukturen für das Leben und für den Sport entwickeln, intuitiv.“ Mehr zu Andy Holzer unter www.andyholzer.com. Petra Rapp



Buchtipp:

Andy Holzer: „Balanceakt. Blind auf die Gipfel der Welt“, ISBN: 978-3-8436-0043-9, 19,95 €, Patmos Verlag



Der Artikel ist auch auf der TZ Draußen-Seite erschienen.