Gut vorbereitet in die Eisenwand - Klettersteiggehen ist ein schöner, aber kein harmloser Sport

Foto: Salewa
Die Kühe rundherum finden es auch ziemlich spannend, was die beiden Bergführer Hubert Praschberger und Dieter Antoni hier auf der Wiese oberhalb der Gaudeamushütte im Wilden Kaiser mit Seil und Karabiner als Trockenübung demonstrieren: „Ganz wichtig ist, dass Ihr immer die Karabiner einzeln umhängt, sonst seid ihr einen gefährlichen Augenblick ungesichert. Die Arme immer gestreckt lassen, ein bisschen in die Knie gehen, kleine Tritte machen und immer mit einer gewissen Bogenspannung, möglichst unterhalb und nicht zu nah am Seil gehen, sonst braucht Ihr zu viel Kraft!“ Nochmaliger Ausrüstungscheck, ob der Klettergurt samt Klettersteigset und der Helm richtig sitzen, ob alle Handschuhe anhaben, dann geht es für die Teilnehmer des Klettersteigkurses zum kurzen, 55 Meter langen Übungssteig. Dort sehen die Bergführer schnell, wer von den Teilnehmern wie fit ist und sich dann in welcher Gruppe in den relativ neuen Klammlsteig, dem ersten Klettersteig im Wilden Kaiser, wagen kann. 


Der Kurs, der im Rahmen einer Bergsportwoche Ende Juni am Wilden Kaiser in Tirol angeboten wurde, war schnell ausgebucht. „Klettersteiggehen ist nach wie vor extrem beliebt, vor allem in der Altersschicht zwischen 20 und 55. Am Kammlklettersteig sind an einem schönen Wochenende manchmal bis zu 150 Leute unterwegs, da herrscht dann schon mal richtige Staugefahr“, erzählt Hubert, der selbst mindestens dreimal pro Woche hier mit Gästen unterwegs ist. Obwohl kein Wochenende staut es sich für die Gruppe gleich am Einstieg des schönen Steigs unterhalb der Gruttenhütte. Einige Höhemeter weiter oben, im eigentlich noch leichteren Teil, hängt ein älteres Ehepaar fest. Hubert steigt hinauf, beruhigt die Frau, die nicht mehr weiterkommt, sichert sie und lotst die Teilnehmer seiner Gruppe behutsam einzeln an ihr vorbei und die Frau dann hinunter. „Das war ein klassisches Beispiel, warum es in den Eisenwegen immer öfter zu Unfällen kommt. Die Frau war technisch und konditionell völlig überfordert. Viele meinen, es reicht, wenn man ein bisschen bergerfahren ist und einen Karabiner einhängen kann. Aber das tut es eben nicht. Neben gesunder Selbsteinschätzung, guter Koordination und Schwindelfreiheit ist beim Klettersteiggehen vor allem auch ein gewisses Maß an Kletterfähigkeit gefragt. Ich muss sehen, wo ich hintreten, welche Griffe ich nehmen kann. Man sollte eigentlich zuerst Klettern an einer Felswand lernen, dann gäbe es viel weniger Probleme in den Klettersteigen“, erklärt Hubert später, nachdem die untere Sektion mit dem Schwierigkeitsgrad B/C von allen Teilnehmern seiner Gruppe gut gemeistert wurde. 


Die Hängebrücke, die den zweiten Teil des Steigs mit anspruchsvollen Stellen bis zur Kategorie D einläutet, flößt dann doch Respekt ein und nur die Sportlichen und Mutigeren gehen hier weiter. Hubert erklärt ruhig und einfühlsam, auf was man sich konzentrieren soll, wartet an kritischen Schlüsselstellen und sagt, wo man die besten Tritte findet. Wen die Kräfte zwischendurch verlassen, dem empfiehlt er, sich zum Ausruhen in die kurzen Bandschlingen zu hängen, die er vorher an die verteilt hat, die sie haben wollten und noch keines der neuesten, dreiarmigen Klettersteigset haben. Sicherheit und mentale Unterstützung vom Profi, die einige auch brauchen und deshalb sehr froh sind, hier nicht auf eigene Faust unterwegs zu sein. Oben am Ausstieg, wo das Adrenalin noch in den Adern und die Freude über das Erfolgserlebnis bei allen groß ist, sind sie sich nämlich nicht sicher, ob sie ansonsten die 120 Höhenmeter und 300 Meter des Klammlsteigs so problemlos geschafft hätten. 


Ausrüstungstipps:

Klettersteige reichen von leichten gesicherten Pfaden im steilen Gelände über kurze sportliche Touren bis hin zu hochalpinen Routen, die eventuell Hochtourenausrüstung erforderlich machen. Zur Basisausrüstung für jeden Klettersteig gehören:

• Kletterhelm zum Schutz vor Steinschlag
• Klettergurt
• Klettersteigset
• Klettersteig geeignete Handschuhe
• Stabile Bergschuhe oder Zustiegsschuhe mit rutschfester Profilsohle 
• Funktionelle, bequeme Bekleidung
• Erste-Hilfe-Set, Handy
• Getränke, Sonnenbrille, Sonnenschutz

Petra Rapp

Der Beitrag ist auch auf der TZ Draußen-Seite erschienen.