Nur keine Panik! Immer mehr Frauen tanken in Bike Frauen-Camps Selbstbewusstsein

Da schaut Mann, als ihn schon wieder eine vom Alter her bunt gemischte, bestens ausgerüstete Horde Mountainbikerinnen auf den schmalen Wegen in den Weinbergen rund um Kaltern überholt. Über 70 Frauen haben sich in Südtirol beim „BIKE Women Camp“ Mitte September eingefunden, um die Bikesaison nach diesem verregneten Sommer zuhause hier noch ein bisschen zu verlängern.

Vier Tage, in denen sie die neuesten Mountainbikes verschiedener Marken bei Touren aller Art testen, in Fahrtechnikkursen das richtige Bremsen oder die richtige Spitzkehrentechnik lernen können. In Workshops selbst Hand anlegen und merken, dass Reifenwechseln keine Zauberei ist oder erfahren, was es mit neuesten technischen Errungenschaften wie schlauchlosen Reifen im Detail auf sich hat. „Unsere Teilnehmerinnen sollen hier viel lernen, aber vor allem gemeinsam Spaß haben und beim Biken Ängste überwinden“, sagt Karen Eller. Die geborene Münchnerin ist Leiterin des Camps und weiß sehr genau, was Frauen auf dem Bike bewegt. Sie war früher erfolgreicher Mountainbike-Profi, veranstaltete vor gut 15 Jahren das erste Frauen-Camp in Deutschland, gründete vor zehn Jahren gemeinsam mit Bikehersteller Scott das Contessa-Team und hat es sich seither zur Aufgabe gemacht, Frauen zum Mountainbiken zu animieren. Mit großem Erfolg, wie auch das Camp in Kaltern zeigt, das hier zum dritten Mal stattfindet und jedes Jahr mehr Frauen anlockt.

Fotos: Petra Rapp
Mit dabei sind Mütter mit ihren Töchtern, Freundinnen und Single-Frauen, die Anschluss suchen. Auch MTB-begeisterte Frauen, die einfach dem latenten Druck, den ihre Männer zuhause beim Biken auf sie ausüben, entfliehen und hier in Ruhe unter Gleichgesinnten ihre Fahrtechnik optimieren und ja, auch die Sache mit der Angst irgendwie los werden wollen.

Karen Eller, Foto Scott
„Das Niveau ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. Frauen zeigen sich heute wesentlich selbstbewusster auf dem Bike, sind körperlich und technisch fitter, auch dank des modernen, frauenspezifischen Materials, das die Fahrtechnik sehr unterstützt. Was aber Frauen beim Biken von Männern nach wie vor unterscheidet: Frauen haben mehr Angst, bekennen sich aber im Gegensatz zu den Männern auch dazu“, erklärt Karen. „Wer zuhause einfach nur immer gesagt bekommt, lass‘ einfach laufen, wird den steilen Hang mit den vielen Steinen nie schaffen.“ Atemrhythmus entspannen, Muskeln und Geist bewusst an- und entspannen, Konzentration auf das Wesentliche - Karen und ihre Contessa-Guides geben den Teilnehmerinnen viele praktische Tipps mit auf den Trail. „Das können weibliche Guides in der Regel besser. Männer denken einfach in vielen Dingen komplett anders und können so die Ängste der Frauen auf dem Bike nicht verstehen. Deshalb macht es meist nicht viel Sinn, wenn ein Mann einer Frau fahrtechnische Abläufe erklärt“, meint Karen und freut sich, wenn die Teilnehmerinnen nach dem Camp noch ein wenig selbstbewusster nach Hause fahren. Petra Rapp

Fotos: Petra Rapp


Buchtipp
„Mountainbiken für Frauen“ von Karen Eller, Christoph Listmann, Delius Klasing Verlag, ISBN 978-3-7688-3161-1, € 14,90


Bikes für Frauen – Gut zu wissen 

Geometrie: Der Rahmen der Frauenbikes ist mit einem kürzeren Oberrohr und etwas tiefer gelegter Steuerung spezifisch auf die weibliche Geometrie abgestimmt.
Komponenten: Das Cockpit zeichnet sich bei Frauenbikes meist durch kürzeren Vorbau, schmaleren Lenker, Griffe mit kleineren Durchmesser und Bremshebel mit geringerer Griffweite aus. Der Sattel ist meist breiter und mit weicherer Polsterung ausgestattet. Frauen tun sich auch mit kürzeren Kurbeln und kleineren Ritzel leichter.
Reifengröße: 
Die kleinen 26-Zoll-Laufräder haben bei fast allen Herstellern ausgedient. Doch soll Frau nun zu 27,5 oder 29 Zoll-Reifen greifen? Karen Eller empfiehlt: „29er rollen zwar besser und auch besser über Hindernisse, aber ich würde sie erst Frauen ab einer Körpergröße von mindestens 172 cm empfehlen. Sonst passen einfach die ganzen Proportionen nicht zueinander. Kleinere Frauen tun sich damit in engen Trails und in den Spitzkehren meist schwerer. Ich würde ihnen 27,5-Zoll Reifen empfehlen.“ 
Tipp: Egal ob für Frau oder Mann, ein Bike ist immer nur dann perfekt und macht richtig Spaß, wenn der Biketyp (Marathon- oder Allmountain-Fully, Hardtail-, Enduro- oder Freeridebike) zu einem passt und alle Details komplett auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmt sind.

Petra Rapp