Zwei Räder statt zwei Brettl - „Flow Valley“-Bikebergsteiger nutzen den schneearmen Winter

Foto: Flow Valley/Max Rasp
Es hat geschneit. Aber so viel, dass es in den heimischen Bergen zum passablen Skitourengehen abseits präparierter Pisten reicht, ist es immer noch nicht. Robert, Bernd, Max und Valentin sind zwar auch begeisterte Skisportler, können sich aber mit dem bisher schneearmen Winter ziemlich gut arrangieren, indem sie weiterhin auf‘s Bike steigen. 

Ende Dezember irgendwo in den Ammergauer Bergen. Die Männer stapfen den steilen, felsigen Steig bergauf. Die Berggipfel sind zwar angezuckert, aber von wirklich viel Schnee kann auch auf 2000 Metern nicht die Rede sein. Deshalb haben die Vier nicht wie sonst um diese Jahreszeit ihre Ski oder ihr Splitboard für den Weg hinunter mit dabei, sondern schleppen auf den Schultern ihre Bikes hinauf. 

Foto Flow Valley
„Im letzten Jahr hatte ich am 29. Dezember schon zehn Skitouren hinter mir. Aber in diesem Winter ging bisher ja so gut wie nichts und Kunstschneepisten reizen mich absolut nicht“, erzählt Bernd Hassmann. Das was die Vier betreiben, ist mehr als nur gewöhnliches Mountainbiken: „Bikebergsteigen“ nennen sie es und es sieht anstrengend aus. „Klar ist das nichts für jeden. Kondition und eine gute Fahrtechnik muss man schon mitbringen. An das Gewicht des Bikes beim Hinauftragen an nicht mehr fahrbaren Stellen gewöhnt man sich aber schnell. Du gelangst so in Höhen, wo du sonst nie mit dem Rad hinkommst und findest deshalb wunderschöne Trails zum Runterfahren, wo meist niemand anderes fährt.“ 


Der Sport als „Seelentherapie“

Robert Werner, Foto Kohlndorfer
Bikebergsteigen ist für die Vier weit mehr als nur sportliche Herausforderung: „Du erlebst die Berge dabei sehr intensiv, weil Du allein schon durch das Gewicht des Fahrrads am Rücken auch sehr langsam hochgehst. Da kann man sehr gut in sich gehen. Beim Bergabfahren der steilen Trails muss man sich unheimlich konzentrieren. Der Alltag ist da dann sehr weit weg, da kann ich verdammt gut abschalten. Für mich ist das schon fast Seelentherapie“, sagt Robert Werner, der als Hotelier und Wirt vom „Der Altwirt“ in Lenggries ansonsten viel um die Ohren hat. Robert war schon als Kind immer gern mit seinem Vater in den Bergen unterwegs. „Jetzt bin ich auch schon älter und das Runtergehen mögen meine Knie auch nicht mehr so gerne. Außerdem ist es mit dem Bike bergab viel spannender und schneller.“ Ganz wichtig ist ihm, sich den Berg selbst zu erarbeiten und sich nicht von Lift oder Bus hochshutteln zu lassen. „Schwitzen muss schon sein und beim Bikebergsteigen ist im Gegensatz zum ‚normalen‘ Mountainbiken auch immer ein Gipfelerlebnis mit drin“, sagt er. 


Flow Valley – ein bayerisches Lebensgefühl



Foto Flow Valley
Robert, Bernd, Max und Valentinklatschen sich am Gipfelkreuz zufrieden ab. Sie alle haben ein Shirt mit dem Schriftzug „Flow Valley“ an. Das bedeutet? „Flow Valley ist vor gut zwei Jahren entstanden. Es umfasst ein Team von Freunden, die das gleiche Lebensgefühl teilen, gerne Bergsport mit Bikesport verbinden, gemeinsam losziehen und wiederum dazu ihre Spezl mitnehmen. Wir machen schöne Bilder von unseren Touren, die wir dann im Netz veröffentlichen und machen auch Events. Das alles im ‚Flow Valley‘, unseren schönen Bergen in Oberbayern und im nahen Grenzbereich“, erklärt Robert, der zusammen mit Bernd Hassmann, Andrea Kohlndorfer und dem Freerider Berny Stoll zum Gründerteam von Flow Valley gehört.

Die Flow Valley-Community wächst rasant, Bikebergsteigen wird immer populärer. Auch, weil es in schneearmen Wochen eine perfekte Alternative zum Skitourengehen ist und so immer mehr zur Ganzjahresportart wird. Konflikte mit Naturschützern und Verbänden bleiben aber nicht aus „Ich bin selbst im Moment schon auch ein bisschen im Zwiespalt“, sagt Robert. „Es macht uns zwar selbst unheimlich Spaß und sicher pushen wir den Sport durch unsere Bilder und Veröffentlichungen, aber gleichzeitig sagen wir nicht, wo wir genau unterwegs sind. Wir wollen ja nicht, dass dann auf unseren Routen auch viel los ist.“ Das Trailfahren in den Bergen an sich lässt sich seiner Meinung nach aber sowieso nicht mehr aufhalten. „Mal schauen, wo die Reise hingeht, wie es sich weiter entwickelt und wie sich alle Interessen vereinbaren lassen“, sagt er nachdenklich, schwingt sich auf sein Bike und fährt mit den anderen hinunter. Zuerst über losen Schotter, steigt dann ab und schultert über die felsigen Steilstufen sein Bike, kämpft sich durch Latschengelände, um sich dann über weite, braune Wiesentrails hinabtreiben zu lassen, irgendwo in diesem schönen Stück Flow Valley. 




Bikebergsteigen im Winter – Wichtige Tipps:


Um für Touren in der kalten Jahreszeit gut gerüstet zu sein, hier einige Empfehlungen von Robert Werner:
  • Richtige Reifenwahl: Matschreifen mit weicher Gummimischung für viel Grip. Spikes machen auf felsigen Untergrund keinen Sinn und zerstören die aperen Trailstücke
  •  Im Winter südseitige Abfahrten suchen, da ist es sonniger und wärmer sowie meist weniger vereist.
  • Früher starten, die Tage im Winter sind kürzer und es wird schnell dunkel.
  • Ausrüstung: Isolationsjacke, Windjacke, Wechseltrikot, Mütze, Notlampe, lange Bikehose, Erste-Hilfe-Pack, Ersatzeile (Schaltauge, Kabelbinder, Ersatzschlauch, Tool, Luftpumpe, Schaltzug), Helm, Brille, Knie- und Ellbogenschoner, zwei Paar Handschuhe, ein zweites Paar Ersatzsocken, knöchelhohe Fahrradschuhe oder Zustiegschuhe
  • Reichlich Gipfelbrotzeit und Getränke mitnehmen, da die meisten Hütten geschlossen haben.
  • Beliebte Ausflugsgipfel mit Bahnunterstützung an sonnigen Wochenenden meiden oder zeitversetzt zum Massenansturm fahren

Wichtige Verhaltensregeln


Um Konflikte beim Mountainbiken in den Bergen zu vermeidend, gibt die Deutsche Initiative Mountain Bike e.V. u.a. folgende Verhaltenstipps zum umwelt- und sozialverträglichem Mountainbiking (alle DIMB-TrailRules ausführlich unter http://www.dimb.de/aktivitaeten/open-trails/trail-rules): 
  • Rücksicht auf die Natur nehmen (Schutzzonen einhalten) – nur auf Wegen fahren: Fahre nie querfeldein, du schädigst sonst die Natur! Respektiere lokale Wegesperrungen! 
  • Rücksicht auf Wanderer nehmen: Kündige deine Vorbeifahrt frühzeitig an. Erschrecke keine anderen Wegenutzer! Vermindere deine Geschwindigkeit beim Passieren auf Schrittgeschwindigkeit oder halte an. 
  • Keine Spuren hinterlassen: Bremse nicht mit blockierenden Rädern! (Ausnahme in Notsituationen) Blockierbremsungen begünstigen die Bodenerosion und verursachen Wegeschäden.
  • Halte dein Mountainbike unter Kontrolle: Passe deine Geschwindigkeit der jeweiligen Situation an. In nicht einsehbaren Passagen können jederzeit Fußgänger, Hindernisse oder anderer Biker auftauchen. 
  • Vorsicht bei der Querung von Schneefeldern – Abrutschgefahr! Bergtaugliches Schuhwerk ist eine wichtige Voraussetzung für ein sicheres Naturerlebnis. Ggf. ist das Mitführen von Leichtsteigeisen oder „Grödeln“ ratsam, da sie sicheren Halt auf Eis oder Schnee geben.