Friedi Kühne mit neuen Free-Solo-Highline-Weltrekord

Friedi Kühne, Foto Marinus Spatzier
Extremsport pur, Adrenalinsucht, hart an oder gar über der Grenze... Sich ungesichert auf eine Highline zu begeben ist für die einen Freiheit pur, für die anderen lebensmüder Wahnsinn. Für Friedrich Kühne, genannt 'Friedi', Extrem-Slackliner aus Bad Aibling ist es ein Traum, den er sich jetzt einmal mehr erfüllte. Als erster Mensch überquerte der 27jährige Oberbayer Mitte September im französischen Verdon eine über 100 Meter lange Highline ohne Sicherung. Damit übertraf er den bisherigen Free-Solo-Weltrekord, den er selbst letztes Jahr in Kanada aufgestellt hatte, um ganze 38 Meter.

Knapp zehn Minuten ungesichert in schwindelnder Höhe
Das Free-Solo-Highlinen, die Begehung einer von zehn bis zu mehreren 1000 Meter hohen Slackline ohne Sicherung wird, ähnlich wie das Free-Solo-Klettern, nur von sehr wenigen Menschen auf der Welt betrieben und erfordert ein extrem hohes Maß an Vorbereitung, Körperbeherrschung und Selbstvertrauen. Ein Sturz hätte fatale Konsequenzen. 

Friedi Kühne free solo in Verdon, Foto Louisa Avenas
Mitte September machte sich Kühne mit einigen Freunden auf den Weg zur Verdonschlucht in Südfrankreich, einer der beliebtesten Highline- und Kletterspots in Europa. Die 700 Meter tiefe, auch als ‚Grand Canyon du Verdon‘ bekannte Schlucht bietet senkrechte und teils überhängende glatte Felswände von bis zu 400 Metern. Nach drei Tagen intensivster Vorbereitung und zahlreichen gesicherten Begehungen der 110 Meter langen Line, wagte er sich dann zum ersten Mal komplett ungesichert auf die Line. Sehr langsam und vorsichtig balancierte der 27jährige innerhalb von knapp zehn Minuten über die volle Strecke von 110 Meter und brach damit seinen eigenen Weltrekord. 

Vertrauen in das eigene Können
Friedi Kühne free solo in Verdon, Foto Louisa Avenas
Das Gefühl und die Gedanken während eines solchen ungesicherten Balanceakts in 200 Meter Höhe ließen sich schwer in Worte fassen, so Friedi Kühne. „Es ist ein bisschen wie das bekannte Vertrauensspiel: Man stellt sich mit geschlossenen Augen vor einen Freund und lässt sich einfach rückwärts fallen, in dem vollen Vertrauen, dass der Andere einen auffängt. Nur dass man dieses Spiel beim Free-Solo-Highlinen eben mit sich selber spielt und nicht mit einer zweiten Person.“ Der studierte Mathematiker sieht auch das Risiko hier als kalkulierbar: „Ein Sturz auf einer Highline bedeutet nicht sofort einen Sturz in die Tiefe. Geübte Slackliner fangen sich bei einem Verlust des Gleichgewichts sofort an der Slackline und umklammern diese mit Armen und Beinen. Dieser sogenannte ‚Catch-Reflex‘ ist bei mir voll ausgeprägt. Wenn ich auf einer Highline völlig konzentriert balanciere, passiert es eigentlich nie, dass ich in die Sicherung stürze“, meint er. 

„Free-Solo-Highlinen ist für mich Slacklinen in Perfektion“
In Verdon hat er sich gottseidank nicht verkalkuliert. „Ich bin die Line ungefähr zehnmal mit Sicherung hin- und hergelaufen ohne ein einziges Mal zu stürzen. Erst als ich mit den Bewegungen und Eigenheiten dieser Line 100 Prozent vertraut war, legte ich die Sicherung ab. Free-Solo-Highlinen ist für mich Perfektion. Es muss alles passen. Der Ort, meine körperliche Verfassung und Stimmung an dem Tag, die Leute die dabei sind und zusehen. Es ist mir zum Beispiel auch sehr wichtig, dass auf beiden Seiten der Highline Leute sind, denen ich vertraue und die etwaige Wanderer davon abhalten, der Slackline zu nahe zu kommen, während ich ohne Sicherung drüber laufe. Hier in Verdon war all dies gegeben.“ 

Friedi Kühne in Verdon, Foto Louisa Avenas
Dennoch forderte ihm die 110 Meter lange Line körperlich und mental deutlich mehr ab, als alle vorherigen ungesicherten Begehungen. „Vor allem auf den letzten Metern lief mir der Schweiß über das Gesicht und ich musste mich unglaublich stark konzentrieren, um nicht nervös zu werden, mich krampfhaft oder zu schnell zu bewegen. Ich musste mir immer und immer wieder sagen: 'Du hast die Kontrolle über das Band, du hast das tausende Male gemacht, du kannst jederzeit catchen.' Ich durfte keine Angst in mir aufsteigen lassen, denn Angst führt zu Anspannung und Anspannung und Slacklinen sind unvereinbar. Am anderen Ende angekommen war ich unglaublich glücklich und voll positiver Energie. Nach einem solchen Vertrauensbeweis an sich selber hat man das Gefühl, nichts auf der Welt ist unmöglich."

Jetzt soll es das erst einmal gewesen sein mit Free Solo, sagt er. Nachdem er im Sommer sein Studium, Mathematik und Englisch für das gymnasiale Lehramt, mit dem ersten Staatsexamen beendet hat, zieht es ihn in die Ferne zu einem zweimonatiger Slackline-Roadtrip durch den Süden der USA, mit spektakulären Highlines in der Wüste Nevadas, Utahs und Arizonas. 

Das Video seines 110m Free Solo Weltrekords online: https://www.facebook.com/Friedi-K%C3%BChne-Slackliner-1020211738009697/  Petra Rapp